LAUGHING SCARS

30. August bis 9. September 2018 im Dynamo in Zürich

Vom 30. August bis zum 09. September 2018 zeigten Alessa Widmer und Carla Peca Fotografien von Jojo Schulmeister, die auf der griechischen Insel Lesbos entstanden sind, im Ausstellungsraum der Spieglerey (Projektraum 13, Dynamo, Zürich).

Sind wir bereits darauf konditioniert, Bilder von geflüchteten Menschen auf eine bestimmte Art und Weise zu sehen? Wie nehmen wir lachende Flüchtlinge wahr? In seiner Fotoserie «Laughing Scars» zeigt der Fotograf Jojo Schulmeister Ausschnitte von lachenden Mündern, von Händen und von Narben – Porträts von Flüchtlingen auf Lesbos.

Täglich erreichen Menschen in Gummibooten über das Mittelmeer die Insel Lesbos. Den Wenigsten gelingt die Überfahrt beim ersten Mal. Manche erzählen, dass es erst beim siebten Mal geklappt hat. Was braucht es damit jemand sein Leben sieben Mal aufs Spiel setzt und sich sieben Mal der Gefahr in einem türkischen Gefängnis zu landen aussetzt?

2015 nahm die Einwanderung über die Mittelmeerroute in die EU schlagartig um das Vierfache zu. Bis heute landen immer noch täglich Boote auf Lesbos, wenn auch in geringeren Mengen. Die Bilder von überfüllten Flüchtlingsbooten sind uns längst bekannt. Fotos von schrecklichen Bedingungen in Flüchtlingslagern, wie zum Beispiel jener im Camp Moria auf Lesbos, erschrecken uns nicht mehr. Flüchtlinge werden in den Medien zu einer Projektionsfläche: Entweder sind sie eine bedrohliche Anzahl von Menschen, die das Verwaltungssystem unser Nationalstaaten an ihre Grenzen bringt, oder sie sind die Opfer von Kriegen, die ums nackte Überleben kämpfen. Wie auch immer man die Geschichte erzählt: Es bleiben reale Menschen mit einer Herkunft, einer Geschichte und der Hoffnung auf ein neues Leben.

Jojo Schulmeister gehört zu denen, die ihre Geschichten hören wollten. 2016 ist er zum ersten Mal nach Lesbos aufgebrochen und seither in regelmässigen Abständen zurückgekehrt. Er dokumentierte das Leben der Geflüchteten, der freiwilligen Helfer und der einheimischen Griechen. Freundschaften entstanden auch zu Geflüchteten, die er bei jedem seiner Besuche wiedersah. Der Durchgangsort Lesbos ist für viele zu einer Sackgasse geworden. Wer die Überfahrt übersteht und von Frontex aufgegriffen wird, kommt als erstes ins Camp Moria.

In diesem Lager, das von der EU anfangs für 1‘200 Menschen erbaut wurde, leben derzeit um die 7‘000 Personen (Stand 21.11.18). Vor den Mauern der ehemaligen Militärbasis reihen sich die kleinen Zelte, in denen die Menschen zusammengedrängt leben. In Gesprächen über diesen Ort hört man immer wieder den Satz „Moria no good“. Das Leben im Moria besteht aus langem Anstehen und Warten. Warten auf schlechtes Essen, warten auf Auskunft, warten auf medizinische Versorgung, warten auf den Bescheid des Asylantrages.

Schon früh stellte sich Jojo Schulmeister die Frage, wie man denn über die Geflüchteten berichten kann. Welches Bild sollen seine Fotografien vermitteln? Fotografie darf im Grunde was sie will. Die Dokumentarfotografie ist dazu verpflichtet, Krisen zu dokumentieren. Die Kunstfotografie, die mit bestehenden Sehgewohnheiten brechen möchte, hat sowieso alle Freiheit der Kunst inne. Dennoch können Bilder beeinflussen, wie wir Flüchtlinge wahrnehmen. Und wie bereits erwähnt: Schockierende Bilder schockieren schon lange nicht mehr. Jojo Schulmeister begann also zu reduzieren, auf kleine Details: Hände, ein Lachen, eine Narbe. Die Ausschnitte sind frei von kulturellen Codes, die uns als Betrachter helfen würden, den porträtieren Menschen als einer uns fremden Kultur angehörig zu sehen.

Jojo Schulmeister, der zuletzt für das Buch mit gleichnamiger Ausstellung „Inside Vietnam“ Männer in Vietnam porträtiert hat, fokussiert nun auf die jungen Männer auf Lesbos. Es sind auffallend viele junge Männer, die alleine diese Reise übers Mittelmeer antreten. In Europa oftmals stigmatisiert und als bedrohlich wahrgenommen, nähern sich ihnen diese Fotografien auf Augenhöhe. Jojo Schulmeister macht Bilder von jungen Männer, die er auf seiner Reise kennengelernt und interviewt hat. Sie sind Flüchtlinge, aber dieses Merkmal wird nebensächlich. Vielmehr sind sie Gleichgesinnte, die einfach unglaublich grosse Ungerechtigkeit erfahren, da sie in einem anderen Land geboren wurden. Die Fotografien zeigen einmal mehr, wie wenig Sinn Abschottung und Ausgrenzung in einer Welt macht, in der wir verbunden durch Ökologie, Wirtschaft und Politik miteinander leben und dass das Bild der vermeidlich Fremden auch nur eine soziale Konstruktion ist.

Im Zuge der Ausstellung machten wir zudem auf zwei auf Lesbos agierende NGOs aufmerksam, die in die grosse Lücke springen, die die ungeklärte europäische Migrationspolitik hinterlässt: Attika und One Happy Family. (Text: Carla Peca)